Julias Reisetagebuch: Leipziger Buchmesse 2012

Teil 1

Mittwoch, 14.03.2012, 06:01 Uhr – Wenn der Tag schon gut anfängt…

Mittwoch, Tag der LBM-Anreise, sechs Uhr morgens, der Wecker klingelt. Mühsam quäle ich mich in die Senkrechte und tapse blind ins Bad, wo ich eine halbe Stunde lang versuche, einen Menschen aus mir zu machen, der nicht nur in ganzen Sätzen sprechen, sondern vor allem auch Autofahren kann. Gar nicht so einfach, wenn man eigentlich noch mitten in seiner zweiten Tiefschlafphase steckt.

Heute ist es also soweit: Es geht los zur Leipziger Buchmesse! Vier Tage Stress, Arbeit, Spaß, Gespräche, Treffen mit Kunden und Kollegen liegen vor uns. Unwirkliches Gefühl, vor allem wenn das Gehirn immer noch nicht so richtig funktionieren will.

Im Kopf versuche ich Ordnung in den Tagesablauf zu bringen. Ins Büro fahren. Bücherlieferung im Lager verstauen. Hänger packen. Simone mit selbigem auf die Straße schicken. Pakete für Amazon und die Händler zur Post bringen. Nach Leipzig fahren. Zwischenstopp bei IKEA. Schlüssel für die Unterkunft holen. Zur Halle fahren und den Stand aufbauen. Früh ins Bett gehen, um am Donnerstag ausgeschlafen zu sein.

Soweit der Plan. Und immerhin war ich diesmal schlau genug, meinen Koffer schon am Vorabend zu packen, um mir den Stress am Morgen zu ersparen. Nur noch schnell das Waschzeug rein und fertig. Nebenbei scheuche ich Lieblingsmitfahrerin und -helferin Nati aus dem Bett, die mindestens genauso begeistert von der Uhrzeit ist, wie ich.

Ich stecke gerade noch in den letzten Zügen meines Notfallplans, um das Unkraut auf meinem Kopf in so etwas ähnliches wie eine Frisur zu verwandeln, als das Telefon klingelt. An einem Mittwoch um kurz vor sieben. Mir schwant Übles.

Mit spitzen Finger nehme ich den Anruf an und Simones (für die unchristliche Uhrzeit widerlich fröhliche) Stimme schallt mir entgegen.

„Guten Morgen! Na, alles fit?“

Ich antworte mit einem undefinierbaren Brummlaut.

„Sehr schön! Und weißt du was? Unsere Bücher stehen vor der Tür.“

Bücher. Vor der Tür. Klar, war ja geplant. Ich überlege, ob Simone mich vielleicht auf den Arm nehmen oder einfach nur meinen morgenmuffeligen Zustand dazu nutzen will, mich ungestraft zu ärgern.

Mooooooment!

Ich werfe einen panischen Blick auf die Uhr und atme erleichtert wieder aus. Alles in Ordnung, ich habe nicht verschlafen, es ist erst sieben. Sieben. Aber der Termin der Spedition war um acht.

Nicht aufregen. Das ist nur eine Kleinigkeit und toll, dass die Bücher schon da sind. Alles in Ordnung, eine Tasse Kaffee und die Welt dreht sich weiter.

Ein bisschen Nörgeln ins Telefon kann ich mir allerdings doch nicht verkneifen, bevor ich Simone weiter gen Büro fahren lasse und zwei Geschwindigkeitsstufen schneller meine Sachen und Nati zusammenraffe, die an der Tür lauernden Katzen verscheuche und mich auf den Weg mache.

Ade, Kaffee, aber im Büro sehen wir uns ja wieder.

 

Mittwoch, 14.03.2012, 07:25 Uhr – Vom Unterschätzen der Dimensionen

Da stehen sie. Vier Paletten. 3572 Bücher. 330 Kartons. 1,7 Tonnen Papier.

Ich will nach Hause.

Warum hat mir niemand gesagt, wie viele Kartons das sein werden? Ok, ich hätte es mir natürlich ausrechnen können, aber irgendwie sind abstrakte Zahlen auf dem Papier deutlich weniger furchteinflößend als das Bild, das sich da vor mir auftut.

Ich komme spontan ins Grübeln, warum ich nochmal unbedingt Bücher machen wollte, habe aber unglücklicherweise keine Zeit, diesen Gedanken weiterzuführen – schließlich wollen wir heute ja noch auf die Straße.

 

 

 

 

 

 

 

 

Also packen wir zu dritt an und los geht’s. Während Nati und ich einen kleinen Eindruck erhalten, wie sich ägyptische Pyramidenarbeiter gefühlt haben müssen, spielt Simone Tetris im Hänger. Viel Ware, wenig Platz und ein kleines Gewichtsproblem. Es sollen ja nicht nur die Neuerscheinungen, sondern auch unser bisheriges Buchprogramm und die Merchandise-Artikel nebst 140 Kissen für unseren Händler-Partner ihren Platz finden.

Froh, mir darüber keine Gedanken machen zu müssen, suhle ich mich in der Stupidität der körperlichen Arbeit und versuche nachzurechnen, ob eine Geranienzucht als alternatives Geschäftsmodell vielleicht eine Möglichkeit wäre. Wir befinden uns jedoch leider immer noch in einstelligen Uhrzeitbereichen, weswegen ich mich schon sehr bald wieder lieber darauf konzentriere, nicht beim Laufen über meine Füße zu stolpern.

Ich hasse Bücher.

Eineinhalb Stunden, drei gestorbene Fingernägel und etliche Nerven weniger haben wir es dann geschafft. Die Bücher sind im Lager verstaut… oder vielmehr aufgetürmt. Wenn ich irgendwann einen spitzen Todesschrei, gefolgt von einem mörderischen Rumpeln aus den Untiefen des Raums höre, weiß ich, dass ich mir eine neue Geschäftspartnerin suchen muss…

Immerhin sind inzwischen auch ein Großteil der mitzunehmenden Kartons im Hänger verstaut, unsere Hausmeisterin wieder besänftigt und ich bekomme endlich eine Tasse Kaffee, damit ich mich aus der grobmotorischen Phase verabschieden kann.

Es ist inzwischen halb elf. Hm. Simone sollte seit einer halben Stunde auf der Straße sein. Aber gut, solange sie es noch vor zwölf schafft, kein Problem.

Während die fleißige Nati die Überreste unserer Palettenschlacht beseitigt, bekleben und verpacken Simone und ich Bücher für den Versand (Amazon lässt sich ja bekanntlich ab und an ein wenig Zeit mit dem Einbuchen der Ware).

Ich hasse Bücher. Wie war das noch mit den Geranien…?

 

Mittwoch, 14.03.2012, 13:30 Uhr – Die gelbe Gefahr ist überwunden

Simone sollte um zwölf auf der Straße sein. Ein bisschen muss ich über mich selbst lachen, dass ich tatsächlich dieser Illusion erlegen bin, während ich Jonas (das Auto) nun endlich auf die A9 in Richtung Leipzig lenke.

Die Postbeamten verfluchen uns. Haben sie vorher auch schon, aber jetzt bestimmt noch viel mehr. Ich wette, wir sind die einzigen, die immer mit zusammengeschnürten 31kg-Paketen ankommen. Vielen, zusammengeschnürten 31kg-Pakten. Auf einmal.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie auch Bücher hassen.

Ist nur leider nicht zu ändern, weswegen ich es wage, mich langsam ein bisschen zu entspannen und daran zu glauben, dass vielleicht doch noch alles gut wird. Immerhin haben wir alles dabei (außer Andrews Signierkarten, die leider nicht rechtzeitig bei uns angekommen sind), nichts vergessen, Franz (das Navi) weiß, wohin es geht und…

Mein Handy klingelt. Ich würde sehr gerne die Augen schließen und tief durchatmen, aber ich merke noch rechtzeitig, dass das auf einer vielbefahrenen Straße wohl keine gute Idee wäre.

„Na, seid Ihr gut losgekommen?“ Simone. Hä? Wir haben uns doch gerade erst vor einer halben Stunde getrennt.

„Ihr fahrt doch nachher zu IKEA… bringst du mir bitte einen Satz Bettwäsche und zwei Handtücher mit? Ich hab‘ irgendwie die Tasche zu Hause…“

Bringt es was, wenn ich den Kopf gegen das Lenkrad haue? Wahrscheinlich nicht. Also versichere ich, dass ich natürlich das Gewünschte besorge, überschlage im Kopf die viel zu knappe Zeit bis zur Ankunft und einige mich schließlich mit mir selbst darauf, dass ich es ohnehin nicht ändern kann.

Also widme ich mich lieber dem angeregten Gespräch mit Nati und beantworte brav alle Anrufe, wo wir denn sind und wann wir ankommen. Wenn ich das mal so genau wüsste…

Mittwoch, 14.03.2012, 19:10 Uhr – Der IKEA-Marathon erhebt sich zur olympischen Disziplin

Wir sind zu spät. Viel zu spät. Und ich schwöre, wenn ich noch ein einziges Mal einen Anruf oder eine SMS von jemandem bekomme, der mich fragt, wann wir denn endlich da sind, schreie ich.

Aber immerhin, Leipzig rückt in greifbare Nähe, die Hausmeisterin unserer Wohnung ist informiert und wir haben noch genug Zeit für IKEA…. der gerade schräg vor mir auftaucht.

„Oh, guck mal, da ist ja ein IKEA!“, stellt da auch Nati neben mir fest.

Ich nicke. „Ja, aber das ist noch nicht unserer… wir müssen noch ein bisschen weiter, bis zum Kreuz…“

Ahem. Wer mich kennt, weiß auch um meine überwältigenden Fähigkeiten in Sachen Orientierungssinn. Und eben diese haben gepaart mit fehlender Konzentration dazu geführt, dass ich mal eben ein bisschen auf der Karte verguckt habe. Ein bisschen sehr.

Mir bleibt daher nichts anderes übrig, als zu wenden. Dreimal durch die Einbahnstraßen des Flughafens gegurkt und zurück in Richtung München. Ob es wohl auffällt, wenn ich einfach weiterfahre…?

Fünf nach halb acht parke ich Jonas und sprinte zusammen mit Nati in die heiligen Hallen der schwedischen Allzweckwaffe. Sage und schreibe 15 Minuten später stehen wir dann mit Sack und Pack und Wagen am Ausgang und können unser Glück kaum fassen. Wir haben tatsächlich alles bekommen und mussten noch nicht einmal rausgekehrt werden.

Nati muss ein bisschen den Kopf einziehen und ich hoffe, dass mich die Leipziger Polizisten einfach ignorieren, aber Jonas ist trotz seines Kombidaseins leider nicht geeignet, um knapp 2m lange Holzteile bequem zu transportieren.

Wir überleben das Ganze bis vor die Tür unserer Unterkunft – auch wenn Natis Kopf ein bisschen gelitten hat. Jetzt aber schnell zur Halle und aufbauen!

„Sag mal… wie machen wir das denn mit dem Einkaufen?“

Ich schlucke. Da war ja was… Nahrung. Und Getränke. Fürs Frühstück. Und die Abende. Und die Messe. Und überhaupt. Zehn hungrige Mäuler, deren heißen Atem ich in meinem Nacken fühlen kann…

Es ist zehn vor halb neun. Wo bekomme ich jetzt noch Lebensmittel in Mengen für eine mittelgroße Garküche her? Gegenüber von der Unterkunft ist zwar ein Rewe, aber um diese Uhrzeit…

„Gehn wir doch noch schnell zum Rewe, der hat bis zehn auf.“

Nati, ich könnte dich knutschen! (Hinweis für alle Nicht-Bayern, bzw. Nicht-Münchner: Bei uns schließen tatsächlich ausnahmslos alle Geschäfte zum 20:00 Uhr und ja, ich finde das auch scheiße.)

 

Mittwoch, 14.03.2012, 20:57 Uhr – Wir gehen jetzt ins Bett oder ich muss jemanden beißen

Wir sind da. An der Halle. Noch nicht in der Halle, aber doch zumindest auf den letzten Metern. Nun stehen wir allerdings vor einem ganz neuen Problem: Wir sind draußen und unsere Parkausweise sind drinnen. Egal, jetzt gebe ich ganz sicher nicht mehr auf!

Also setze ich mein bestes Sonnenscheinlächeln und den patentierten Bambiblick auf, bete, dass der Torwächter ein Mann ist und steuere auf die Einfahrt zu… nur um festzustellen, dass sie ebenso geschlossen ist, wie die vier, die ich danach ansteuere. Natürlich werde ich erst bei der allerletzten Möglichkeit fündig. Was auch sonst.

Ich befürchte allerdings, dass der freundliche Torwächter einfach nur Mitleid mit den beiden gestresst wirkenden, ziemlich abgekämpft aussehenden Frauen in dem illegal vollgestopften Auto hatte und nicht etwa wie beabsichtigt meinem Charme erlegen ist.

Ist mir aber (heute) auch ziemlich egal, drin ist drin. Jonas vor der richtigen Halle geparkt und erst mal die Lage gecheckt, alle Anwesenden ein wenig unkoordiniert begrüßt, Simones Allgemeinzustand überprüft und den Stand in Augenschein genommen. Mir fallen nur zwei Dinge ein: Verdammt, ist das wenig Platz und ich hasse Bücher.

Wir beschäftigen uns eine ganze Weile mit lustigen Dingen wie dem Zusammenbau des Regals (heldenhaft von Janine zusammengeschraubt!) und der Debatte was wie wo hin soll, als mein Handy klingelt und die Teamverstärkung ihre Ankunft ankündigt.

Wann ist es bitte so spät geworden und wo ist der Tag hin? Ich bin müde, nörgelig und kann mich gerade selbst nicht leiden. Immerhin halte ich noch eine gute Stunde durch, bevor ich endgültig streike und alle in Richtung Unterkunft und Betten scheuche. Morgen ist auch noch ein Tag und ausgeschlafen denkt es sich doch einfach viel leichter.

Ich träume von Geranien.

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